Twenty is Plenty
KLASSE JOB – attraktiver Beruf?
In einem Schulfilm über Schulen nach dem Zweiten Weltkrieg berichtet eine Zeitzeugin aus Gallneukirchen, dass sie 1946 in der 3. Klasse Volksschule 81 Kinder waren. Geht? Naja, es wird wohl darauf ankommen, welche Ansprüche und Erwartungen Eltern, Kinder und Lehrpersonen an die Schule stellen.
2024 haben wir andere Möglichkeiten als nach Kriegsende und wir möchten sie nutzen. Wir möchten angemessene Settings für Lernsituationen anbieten, wir wollen pädagogisch adäquat auf Kinder eingehen können. Denn die Nöte und Sorgen von unseren Schüler:innen werden in der Schule sichtbar. Wenn wir nicht ausreichend darauf eingehen können, riskieren wir, dass Problemlagen eskalieren. Voraussetzungen für eine erfolgreiche Interaktion in den Schulen sind, dass die Lehrpersonen auch die Möglichkeit haben, sich den Kindern zu widmen. Die Klassengröße spielt dabei eine wesentliche Rolle: Twenty is plenty.
Darüber hinaus sind wir mit einer ganzen Reihe von Aufgaben beschäftigt, die mit dem Unterrichten nicht direkt zu tun haben. Organisatorische oder administrative Tätigkeiten geraten dabei immer wieder in den Vordergrund, die Kommunikation mit den Kindern, Eltern und auch der Lehrpersonen untereinander leidet. Wir brauchen Spielräume, damit wir unsere Kernaufgabe in der Schule erfüllen können. Man muss endlich zugeben, dass dafür 20 Stunden Unterrichtsverpflichtung angemessen sind. Was darüber hinausgeht, erschwert unsere Handlungsfähigkeit für eine erfolgreiche Interaktion in der Schule. Was darüber hinausgeht, ist eine Zusatzbelastung für die Lehrpersonen, die ihre Arbeit professionell machen wollen, das gehört anerkannt. Anerkannt. Und auch abgegolten. Vor allem aber anerkannt. Es besteht mittlerweile die Gefahr, dass Kolleg:innen für ihren Einsatz, mit dem sie Systemmängel ausgleichen, keine Obergrenze mehr sehen. In Notsituationen gehen wir alle wie selbstverständlich an unsere Grenzen der Belastbarkeit. Es muss klargestellt werden, dass unsere Schulen - weder Lehrer:innen noch Schüler:innen - dauerhaft in einem Notfallmodus funktionieren können. Twenty is plenty.
Wenn wir Überstunden machen müssen, weil es Personalmangel gibt, dann müssen sie bezahlt werden. Das muss auch für Vertretungsstunden gelten. Unsere 20 Supplierstunden haben aber ein viel interessanteres Potenzial. Ein erwachsener oft langjährig berufstätiger Mensch braucht einen gewissen Handlungsspielraum in seinem Alltagsleben. Wie viel Selbstbestimmung gestehen wir einer Lehrperson zu? Wir möchten, dass Eltern relativ zeitnah und natürlich tagsüber zu einem Gespräch erscheinen, wenn es ein Problem zu besprechen gibt. Wie aber sieht es aus, wenn es die Schule des eigenen Kindes ist, die zum Gespräch ‚bittet‘? Schwierig.
Da gibt es natürlich die Möglichkeit, um Sonderurlaub (Dem/Der Landeslehrer/in kann auf sein/ihr Ansuchen aus wichtigen persönlichen oder familiären Gründen, zur Fortbildung oder aus einem sonstigen besonderen Anlass ein Sonderurlaub gewährt werden) anzusuchen. Einige dieser Anlässe, wie etwa ein Todesfall im engen Familienkreis, sind im Gesetz explizit beschrieben und im entsprechenden Erlass konkretisiert. Darüber hinaus wird es aber meist mühsam. Was den Juristen in der Bildungsdirektion wichtig erscheint, deckt sich nicht immer mit den Bedürfnissen der Betroffenen. Die meisten Erwachsenen können eine persönliche Verpflichtung erledigen, ohne, dass sie ihre Vorgesetzten und oft auch noch eine Reihe von Kolleg:innen von der Bedeutung des Anliegens überzeugen müssen.
Lehrer:innen berichten, dass sie dieses Argumentieren als demütigend empfinden. Zu Recht, wie wir meinen. Es muss möglich sein, dass ich mit meinem VS-Kind einen Tag der offenen Tür in einer weitführenden Schule besuche. Es muss möglich sein, dass ich meine Freundin zu ihrer Befundbesprechung der Brustkrebsdiagnose begleite. Diese Art von Zeitausgleich muss möglich sein, ohne, dass ich vorher meine Schulleitung, eine Reihe von Kolleg:innen und die juristische Abteilung der Bildungsdirektion von der Notwendigkeit überzeugt habe.
Das ist das Potenzial der 20 Supplierstunden – der Umfang für einen Zeitausgleich. Twenty is plenty.
Derweil gefordert …
Die Tätigkeit als Klassenvorstand muss als Zeitaufwand für Lehrpersonen aller Schularten in gleicher Weise berücksichtigt werden. Hier ist eine Anpassung notwendig. Die Herabsetzung der Lehrverpflichtung für Klassenvorstände hat Spielraum gebracht, die die Zulage nicht bieten kann. Klassenführung in der VS muss mindestens eine Stunde Herabsetzung wert sein. Die Aufgaben von Kolleg:innen im Pädagogischen Dienst im schulischen Alltag sind gesetzlich so geregelt, dass es immer wieder zu Konflikten darüber kommt. Die Arbeit als Klassenvorstand gehört auch hier entsprechend gewürdigt. Mit der Klassenführung ist ohnehin Beratung verbunden. Schreiben wir dem Klassenvorstand die 23. und die 24. Stunde zu!
Computerbetreuung ist Zeitaufwand. Schön, dass wir in den Schulen immer mehr Geräte zur Verfügung haben. Die Computer müssen allerdings auch betreut werden. Die Zeit, die unser Dienstgeber dafür veranschlagt, verhält sich indirekt proportional zur Anzahl der zu wartenden Geräte. Was an Zeit fehlt, versuchen Lehrpersonen ehrenamtlich auszugleichen. In Volksschulen müssen häufig sogar Ressourcen vom Stundenkontingent der Schule dafür hergenommen werden. Eine Anpassung an die Realität ist erforderlich.
Die Schulveranstaltungsverordnung passt bezüglich der Anzahl der Begleitpersonen nicht einmal mehr für eine Klassengröße von 25. Wir haben daher mehrfach gefordert, dass die SchVV an die aktuellen Richtwerte für Klassengrößen angepasst wird.
Obwohl für die Ressourcenzuweisung an die Schulen die Zahl 25 als Richtwert für die Klassengröße gilt, orientiert sich die Regelung für die Anzahl der Begleitpersonen bei Schulveranstaltungen an einer alten Klassenschüler:innenhöchstzahl. Dadurch entstehen bisweilen unverantwortliche Situationen. Die Möglichkeit, dass im Schulforum ein Beschluss über zusätzlich erforderliche Begleitpersonen gefasst wird, war ursprünglich als Option für Ausnahmefälle gedacht. Dass eine Schulklasse zwei Begleitpersonen benötigt, ist jedoch keine Ausnahme, das muss der Normalfall sein.
Eine grundsätzliche Zeitausgleichsmöglichkeit könnte man auch im derzeitigen System sofort umsetzen. Eine Art Stundentausch ohne Betteln – das wäre was! Es würde den gefühlten Grad der Selbstbestimmung unter den Kolleg:innen erheblich erhöhen und wäre ohne gesetzliche Änderungen möglich.
Was es auch braucht, ist die Möglichkeit der beruflichen Auszeit. Daher treten wir dafür ein, dass jede Lehrkraft nach 20 Dienstjahren die Möglichkeit eines Freijahres – Sabbatical – nutzen darf. Wir wollen da einen Rechtsanspruch, denn: Twenty is plenty.
Dass es ein vernünftiges Modell einer Altersteilzeit für Lehrer:innen braucht, ist mittlerweile allen Fraktionen klar. Allein das Anliegen hatte offenbar keine Priorität. Oft ist nicht einmal Teilzeit auf eigene Kosten möglich. Wir fordern ein Altersteilzeitmodell, das diesen Namen verdient. Und wir fordern einen Rechtsanspruch auf Teilzeit, wenn einer Lehrperson vom Sozialministerium eine Behinderung von 50 Prozent zugeschrieben wurde. Das hat auch in anderen Berufen Begünstigungen zur Folge. Lehrpersonen sollten zumindest ein Recht auf Reduzierung der Lehrverpflichtung haben.
KLASSE JOB? Ja, es gibt Möglichkeiten, den Beruf attraktiver zu machen. Nutzen wir sie!