Wer kennt sie nicht, die von Miguel de Cervantes 1605 verfasste, tragisch-komische Geschichte über den Ritter von trauriger Gestalt, namens Don Quijote aus dem Dorf Mancha. Der an die
50 Lenze
zählende Recke macht sich auf, um auf seine alten Tage sagenhafte Abenteuer zu bestehen, jedweder Gefahr zu trotzen und das Unrecht zu bekämpfen. Durchdrungen von seinen ritterlichen
Idealen stürzt er sich – gemeinsam mit seinem Getreuen Sancho Panza – ins Abenteuer, erklärt kurzerhand seinen alten Gaul Rosinante zum edlen Streitross, hängt sich einen alten rostzerfressenen
Harnisch um und fertigt sich eine Pickelhaube aus Pappe an. So gerüstet besteht er einige Abenteuer. Das bekannteste wohl der zum Scheitern verurteilte Kampf gegen Windmühlen.
Versucht man nun die Geschichte des Mannes aus Mancha in das Jahr 2019 und in die pädagogische Realität des österreichischen Schulwesens zu transferieren, so wird
man einige Parallelen feststellen können welche, ironisch betrachtet, einer gewissen tragischen Wahrheit nicht entbehren, wobei die Hauptfigur bei weitem nicht die annähernd 50 Lenze erreicht haben muss und die „Windmühlenproblematik“ eine allgemeine Gültigkeit für jede/n sich im Dienst befindlichen LehrerIn (Ritter) hat.
Man betrachte also Österreichs PädagogInnen, welche voller Idealismus, vollgepumpt mit unendlich scheinender Energie und Tatendrang, die pädagogische Landschaft Österreichs mit ihrer Kreativität, ihren Idealen und Wertvorstellungen bereichern wollen. Die gleichzeitig von dem Wunsch beseelt sind unendlich viele begeisternde Projekte und mitreißende Unterrichtseinheiten mit einer lernwütigen und begeisterungsfähigen Jugend aus dem Boden zu stampfen um zu einer weiteren Ikone der Pädagogik zu reifen und die Pädagogik durch neue Methoden und Strategien ein weiters Stück vorwärts zu bringen. Alles, um sich letztendlich durch ihr Lebenswerk einen Platz in der „Hall of Fame der Pädagogik“ zu verdienen.
Trotzdem komme ich, als langsam alternder Lehrer, immer öfter zu dem Schluss, dass wir allesamt viele Gemeinsamkeiten mit jenem oben bereits erwähnten „Helden“ haben.
Wir alle wurden durch unsere Ausbildung mit einer Vielfalt an pädagogisch-didaktischen Maßnahmen und Strategien, als auch mit einem fundierten Fachwissen als Rüstzeug ausgestattet, welche sich allerdings in der Schulrealität oftmals nur als eine aus Pappe gefertigte Pickelhaube entpuppen, weil sie entweder nicht mehr ganz zeitgemäß sind oder aber die lernende Jugend von heute nicht wirklich ansprechen, was zur Folge hat, dass sie dem persönlichen Schutz (körperlich und geistig) von uns LehrerInnen nicht wirklich dienlich sind.
Uns allen wurde ein klappriger Gaulnamens „Schulsystem“ und eine rostzerfressene
Rüstung mit mehr oder weniger schlecht ausgestatteten Klassenräumen und Schulgebäuden mit auf unseren Weg gegeben in denen man sehr schnell an die Grenzen des Machbaren stößt und somit manche Planung und Durchführung eines Projektes oder auch nur einzelner Unterrichtselemente von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Dass nicht funktionierende Computerräume, fehlende oder ewig defekte Drucker und andere einen zeitgemäßen
Unterricht unterstützende Gerätschaften, schlecht ausgestattete Werkstätten, abstürzende ESA Datenbanken (zur Zeugniszeit), zu wenige Ressourcen in vielerlei Hinsicht und noch viele andere Dinge zu bemängeln sind, hält uns nicht davon ab, täglich aufs Neue unseren „ritterlichen“ Idealen nachzukommen, indem wir versuchen, einer immer weniger leistungs- und begeisterungsfähigen Jugend Wissen, Können und Werte zu vermitteln.
Je nach Dienstalter lernten wir alle verschiedene „Dulcineas“ des BMUK kennen. Ob es nun z.B. ein edles Burgfräulein namens Elisabeth aus tiefschwarzem Hause war, oder jene Edeldamen Claudia, Gabriele oder Sonja, welche allesamt dem purpurrotem Hofe entstammten oder, seit kurzem ein Dulcineus, der sich zwar offiziell keine Farbe auf seine Fahnen heftet, aber dennoch vom türkisfarbenen König ins Amt berufen worden ist. Jede der oben genannten Persönlichkeiten versprach eine Besserung der, wahrlich immer bedenklicher werdenden Schräglage in unserem System, neue bahnbrechende Reformen und Neuerungen, jedoch allesamt verwendeten sie das UNWORT „kostenneutral“, welches in keinem Falle mit einer wirklichen Verbesserung der Lage in Einklang zu bringen war und ist.
Wenn wir schon das Schulsystem mit Rosinante vergleichen und uns selber als Don QuijotInnen, so ist es schlicht und ergreifend eine Tatsache, dass alle „Dulcineas“, bzw. zur Zeit eben der „Dulcineus“, mit den Königinnen bzw. dem König eines Reiches zu vergleichen
sind, in dem alle braven RitterInnen ihren Pflichten zwar nachzukommen versuchen, aber durch einige Arten von „Windmühlen“ in ihrem Tun extrem behindert werden.
Windmühle Nummer 1 ist die jeweilige Dulcinea bzw. der Dulcineus und deren „Reformwut“, denn jede dieser vermeintlichen Führungspersönlichkeiten ist bisher tatsächlich dem Irrglauben erlegen, dass sie wissen würden was gut für das, zwar edle, aber alte Streitross
„Rosinante“ wäre, in Wahrheit jedoch nie selbst, nur selten oder schon seit ihrer Kindheit und Jugend nicht mehr, eine Stallung betreten haben. In Folge dessen „füttern“ sie das arme geplagte Tier mit falschen Dingen, zwingen es sich ständig an neue, ach so tolle,
„Reformpädagogische Sättel“ zu gewöhnen, und wenn dann so eine Eingewöhnungsphase vorbei ist, wird sofort ein neuer Sattel angeschafft, egal wie viel er kostet und wie sehr das arme Tier darunter leidet. Frei nach dem Motto „Jeder Regierung seine Bildungsreform“. Kurz gesagt, die Wunden des letzten Sattels, also der letzten Bildungsreform, sind bei weitem noch nicht verheilt, schon werden dem armen Tier wieder neue zugefügt und ihm ein weiterer unpassender Sattel aufgeschnallt. Natürlich gibt es in Ländern wie Finnland, Deutschland oder Südtirol andere, gut funktionierende Systeme und Strukturen, von denen man sich durchaus etwas abschauen könnte, wenn es auf die Bedürfnisse des heimischen Rosses abgestimmt passierte. Noch einfacher wäre es aber den/die „RitterIn”, der ja täglich dieses Ross in die „pädagogische“ Schlacht führt, zu fragen was es denn nun wirklich bräuchte um sein „Arbeitsgerät“ zu optimieren und gleichzeitig die Gesundheit von Ross und Reiter nicht zu gefährden.
Stattdessen werden, als Windmühle Nummer 2, meist mindertalentierte „Bildungsexperten“ konsultiert die nur Mehrkosten verursachen, anstatt die vorhandenen Gelder richtig einzusetzen. Von oberster Stelle aus werden Studien in Auftrag gegeben, überflüssige
Testungen finanziert und dem ritterlichen Kodex neue Verordnungsblätter zugefügt (in einer schier unglaublichen Vielfalt, so dass der normale Ritter mehr mit dem Lesen und Verinnerlichen dieser Blätter zu tun hat, als mit dem Leben seiner ritterlichen Tugenden, um so dem Staat zu dienen), neue Reformen ersetzten noch neuere Reformen, etc. etc. Dies geschieht alles in absoluter Ermangelung des nötigen Wissens der HerrscherInnen über die richtige Pferdepflege, wobei diese Tatsache vor dem gemeinen Volk geschickt getarnt wird und am Ende abermals wieder nur das UNWORT „kostenneutral“ vom herrschaftlichen Herold
verlautbart wird, worauf das brave Volk tunlichst mit Händegeklapper zu reagieren hat. Das unter all diesen zusätzlichen
Belastungen und oftmals sinnentfremdeten Verordnungen die Leistungsfähigkeit unseres großen heimischen Streitrosses „Schulsystem“ und die professionelle Kampf- und Einsatzkraft des heimischen Rittertums (=Lehrerschaft) leidet, ist zwar den HerrscherInnen (hoffentlich) bewusst, jedoch stört sie dieser Umstand kaum, so lange sie weiter mit allen erdenklichen populistischen Mitteln an der Macht bleiben können und ihr fürstlicher
Lebensstil nicht in Gefahr gerät.
Somit kommen wir zu dem Schluss, dass, wenn schon ein neuer Sattel angeschafft werden muss, dieser dann ausschließlich bei heimischen „Sattelmachern“ bestellt werden sollte, welche das „Streitross namens „Österreichisches Schulsystem“ auch wirklich kennen. Es sollte die Anpassung dieses neuen Sattels besonders bedächtig, also schulstandortsbezogen
erfolgen, um so einem bereits stark geplagten Ross das Aufzwingen eines weiteren neuen Sattels zu ersparen.
Es sollte besser auf die Wünsche und Verbesserungsvorschläge der „RitterInnen“ gehört und auf sie eingegangen werden, denn schließlich sind sie es, die täglich auf diesem Ross in den pädagogischen „Kampf“ ziehen und somit die wahren Experten sind.
Langer Rede kurzer Sinn: Eine wirkliche Verbesserung unseres Systems und eine wahrhaftig nachhaltige Bildungsreform kann NIEMALS durch eine bloße Verordnung von oben herab funktionieren, sondern nur dann, wenn die gesammelte „Ritterschaft“ der LehrerInnen
Österreichs, welche an der Basis wirklich gute Arbeit leistet, befragt wird, was sie benötigt um ihren Dienst optimal erledigen zu können.
Eine echte und wirksame Reform kann somit nur von UNTEN NACH OBEN WACHSEN, indem die wirklichen Experten, nämlich wir aktiven „RitterInnen“, eingebunden und alle Standorte nach ihren Bedürfnissen gefragt werden. Wahre Schulautonomie kann folglich nur bedeuten, dass jede Schule selbst bestimmen kann, was genau an ihrem Standort benötigt wird, auch wenn dadurch zusätzliche Kosten entstehen. Ein zeitgemäßerer Unterricht und eine mit einhergehende Qualitätssteigerung wären die logische Folge. Darüber hinaus wäre es auch
unumgänglich der Elternschaft ihre erzieherischen Pflichten in Erinnerung zu rufen, denn auch diese stellen leider oft weitere „Windmühle“ dar, indem sie nicht wirklich mit den Lehrern zusammenarbeiten.
Windmühlen können aber auch einzelne LeiterInnen sein, welche es dem/der einen oder anderen StreiterIn schwer machen, ihren ritterlichen Idealen nachzukommen. Oder die alljährlich mediale Prügelorgie pünktlich zu den Sommerferien, genauso wie diverse
VasallInnen des jeweils herrschenden Hofes, welche mit der Verschleppung wichtiger Informationen auch oft für gewaltige Unruhen verantwortlich sind. Bestes Beispiel die Order bezüglich der Umänderung tausender Schulnachrichten, eben jetzt gerade zu Semester am späten Nachmittag und zwar am Donnerstag, dem 14.02.2019!
Fest steht, dass die gesamte „Ritterschaft“ der österreichischen LehrerInnen bereit ist sich stets aufs Neue für ihre ritterlichen Ideale in die „Schlacht“ zu stürzen.
Sie würde sich nur wünschen, dass den jeweiligen Herrscherhäusern das hohe Gut der frei zugänglichen Bildung genau so viel wert ist wie ihren „RitterInnen“.
Rainer Höllinger (Text und Zeichnung)