von Peter Novak, Vorsitzender der kuli-UG, Mitglied im DA Freistadt.
Die am Freitag, 15.11.2019 online gegangene App "Lernsieg",in der LehrerInnen und Schulen mit Sternchen beurteilt werden können, schlug schon im Vorfeld große Wellen. Von Bashing war die Rede, von einem neuen Angriff auf die Lehrerschaft.
Nun steht die App zum Download bereit, und nach der Installation kann unter Bekanntgabe der eigenen Telefonnummer (kostenfreie Registrierung per SMS) mit der Bewertung begonnen werden. Und jeder denkende Mensch bemerkt hoffentlich, dass hier einiges nicht ganz passt.
Aussagekraft der App ist gleich Null
Sobald ich mich registriert habe, kann ich mit munter mit den Bewertungen beginnen:
Ich (als Teil des Kollegiums!) habe die Möglichkeit, meine Schule zu bewerten, alle anderen Schulen im Ort zu bewerten, alle Lehrpersonen. Jede Person, die die App installiert, kann alle gelisteten Schulen Österreichs bewerten. Um gute Ratings zu erhalten, sollte einfach jedes Kollegium sich selbst bewerten. Laut dem jungen Herrn Hadrigan wurde auf die Möglichkeit, Kommentare und somit Begründungen für die Bewertungen abzugeben, verzichtet. Man fürchtete, dass es zu Bashing kommen könnte. Dieser Verzicht auf Kommentare verwässert allerdings die sonst auch schon dünne Suppe. Wenn Schüler bewerten, wer garantiert, dass nicht folgende Kriterien herangezogen werden:
* nimmt oft Kekse mit -> 5 Sterne
* gibt schlechte Note wegen nicht erfüllter Leistungen -> ein Stern
* hat immer so lustige Hemden an -> 5 Sterne
Alles in allem ist diese App nicht einmal halb fertig, das Konzept nicht durchdacht, jeder kann jeden anonym nach irgendwelchen Kriterien bewerten. Richtige konstruktive Rückmeldungen, die etwas verbessern, verändern soll, benötigen eine Begründung für diese Bewertung und nicht nur ein Sternchen. Vielleicht war Herrn Hadrigans Vorhaben wirklich die Schaffung einer transparenten Schule mit einer Möglichkeit zur Rückmeldung für SchülerInnen. Doch selbst er wird in seiner Schullaufbahn erfahren haben, dass Rückmeldung nicht eine anonyme Zahl oder ein Sternchen sein kann.
Datensammlung
Private Investoren haben einen sechsstelligen Eurobetrag investiert, um die App zu starten. Investitionen werden getätigt, um Geld zu verdienen. Es wurden die Namen von über 90 000 LehrerInnen aus ganz Österreich gesammelt, alle Schulen, die eine Homepage betreiben, sind verfügbar. Eine solche Sammlung von Daten ist viel wert. Noch dazu erhalten die Betreiber der App zahlreiche Telefonnummern gratis dazu. Die Wertschöpfung ist enorm. In Wahrheit werden Datensätze gesammelt, um damit Geld zu verdienen. Benjamin Hadrigan war in diesem Fall wahrscheinlich einfach der schnellste Weg zur Schaffung einer solchen Datenbank, die sicherlich mehr als einen sechsstelligen Eurobetrag wert ist. Ob diese Datenbank legal geschaffen wurde und legal verwaltet wird, ist nicht ganz geklärt.
Frau BM Rauskala ist gefordert
Stellen sie sich vor, es gäbe eine App zur Bewertung von Autos. Die Belegschaft des Autobauers ginge auf die Barrikaden und die Firmenleitung meinte bloß "wie unsere Mitarbeiter die Autos bauen, ist deren Privatsache". Das hätte eine seltsame Optik und würde für eine gewaltige Missstimmung zwischen Belegschaft und der Chefetage führen.
Genauso geht es uns. Bildungsministerin Rauskala hat betont, dass solche Bewertungen eine private Angelegenheit der LehrerInnen sind, die Gewerkschaft wäre gefragt.
Nun ja, die Gewerkschaft kocht und schäumt, leitet rechtliche Schritte ein, aber die Zuständigkeit liegt eindeutig bei Bundesministerin Rauskala. Sie hat ihren LehrerInnen gegenüber eine Fürsorgepflicht, die sie nicht wahrnimmt. Wenn die Bildungsministerin auf die Gewerkschaft verweist, dann hat sie die deren Aufgaben nicht ganz verstanden. Die Gewerkschaft ist prinzipiell für Verhandlungen mit dem Dienstgeber da, um Verbesserungen zu erwirken oder Verschlechterungen abzuwenden. Angriffe von außen hingegen sollte die Bildungsministerin abfangen. Das tut sie nicht. Sie fühlt sich zuständig für Verordnungen, Gesetze und träumt ihrerseits von Bewertungsmöglichkeiten für Lehrpersonen. Für den Unterricht ihrer über 120 000 Lehrkräfte fühlt sie sich nicht verantwortlich.
Wenn sie schon der Unterricht, die Arbeit mit den Kindern, nicht interessiert, vielleicht zeigt sie Interesse an den Datenflüssen und an der Wertschöpfung durch die Verwendung der Namen all ihrer LehrerInnen?
Der eigentliche Skandal ist der Umgang der Bildungsministerin Rauskala mit dieser App.
Österreichische Tradition
In ihrer Ausführung ist die App „Lernsieg“ geradezu lächerlich und dilettantisch, die Hintergründe sind wirtschaftlicher Natur, die oberste Vorgesetzte aller österreichischen Lehrpersonen zieht sich aus der Affäre.
Kein einziger Lehrer, keine einzige Lehrerin in Österreich ist gefragt worden, ob er oder sie einer anonymen Bewertung ohne Möglichkeit für Rückfragen zustimmt.
Es hat ja mittlerweile Tradition, dass die unterrichtenden Lehrpersonen nicht gefragt werden, wenn es um Reformen oder Veränderungen geht. Der letzte Bildungsminister Faßmann sagte sogar medienwirksam „… es handle sich um politische Entscheidungen, nicht pädagogische…“.
Dass sich aber jetzt die Lehrerschaft Österreichs von einer halbfertigen App bewerten lassen muss, private Investoren sich mit den Daten der Schulen vor den Augen des untätigen Bildungsministeriums bereichern, überspannt den Bogen gewaltig.
Vielleicht sitzt Frau Rauskala ihre Zeit als Übergangsministerin jetzt nur noch ab. Sollte sie sich nicht zu ihrer Lehrerschaft bekennen, wird der Schaden noch größer, als er jetzt schon ist.